Deutschland und die Flüchtlinge – Ein Ossi blickt auf den Westen

Öffentlich auf Deutschland zu blicken ist überwiegend nur von einer Seite möglich. Da wird unwidersprochen geurteilt und verurteilt. Gelegentlicher Widerspruch ist so bedeutend wie das Gebell eines Hundes. Eine Situation zu beurteilen  ist immer die Sicht der Betrachter. Der Betroffene hat seine eigene Sicht . Seit der Vereinigung Deutschlands war viel Zeit Vorurteile zu entwickeln , zu verfestigen oder abzubauen. In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen differenzierte Sichtweisen speziell zur Flüchtlingskrise zu verstehen. Grundlage dafür sind meine seit 1989 gemachten Erfahrungen.

Reise 1 –  Berlin

Es sind nur noch 3 Tage Zeit das Begrüßungsgeld im Goldnen Westen zu holen. Fahre doch mal nach Berlin, dort kennst du dich aus, nimm die Kinder mit und hole das Geld ! Wer weiß ob es 1990 noch Begrüßungsgeld gibt. Ich kann mich nicht weiter herumdrücken. Los geht s, mir ist ein wenig mulmig. In Westberlin kenne ich mich natürlich nicht aus aber ein Rathaus werde ich schon finden. An der Autobahn bei Schönefeld wurde ein riesiger Parkplatz mit Shuttlebus auf schlammigen Feld eingerichtet. Es schneit. Das ist ja genial, da wird mir die ganze Sucherei abgenommen. Die Gelegenheit nutze ich natürlich. Ich brauche mich nur an die Reisegruppe zu halten. Wir setzen über und steigen am ersten U-Bahnhof aus. Wo weiß ich nicht mehr. Abtauchen in die U-Bahn. Es sieht ekelhaft aus und stinkt. Einsteigen, alles Ausländer, keiner spricht deutsch, jeder stinkt anders. Mist. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich sehe niemanden an, achte nur auf die mit denen ich mit dem Bus gekommen bin. Wir steigen aus. Das erste mal sehe ich einen schwarzen Kaftan. Egal, ich will zum Rathaus und das ist zum Glück ausgeschildert. Am Weg liegt ein kleiner Spielplatz, also Zwischenstopp. Im Rathaus sind wir die Einzigen, Begrüßungsgeld ist auch ausgeschildert. Wir sind sofort dran. Warum geben die uns Geld fragt mein Kind. Tja, warum ???  Ich beobachte wo die nächste Meute hin fährt und fahre mit. Einkaufsstraße, besoffene Ossis mit Bierbullen, für die man sich schämen kann. Ich fühle mich maximal fremd und unwohl. 5 mal werde ich angesprochen und 3 mal angefasst. Einen Kassettenrekorder mit Doppeldeck habe ich schon und weiter brauche ich nichts. Schnell bin ich von der ganzen Atmosphäre abgestoßen und will nur nach Hause. 297 DM habe ich noch. Ein paar Minuten sitze ich noch im Auto. Ob die vielen Ausgereisten gewusst haben in welche Scheiße die da eintauchen ? Endlich, der bekannte Geruch von Brikettöfen weht mir in die Nase, neuerdings gemischt mit bissigen Resten von verbrannten Wohlstandsmüll.

FAZIT – der Wessi hat es gern ein wenig dreckig

Reise 2 – Sindelfingen, Heidelberg

Vorsichtshalber sollte man sich langsam nach einer neuen Arbeit umsehen. Wenn es gar nicht anders geht auch im Westen. Mitfahrgelegenheit nach Sindelfingen. Ich bin angemeldet und werde erwartet. Wir tauchen in ein Gewirr aus Betonkanälen ein und so bleibt es auch. Plötzlich sind wir am Ziel. Vor uns fährt eine Kehrmaschine, wir müssen warten. Eintauchen in eine Hochgarage. Links und Rechts Garagen und darüber Wohnungen. Die Garagen bzw. das Haus sind auf einer Höhe mit der Straße. Dunkler Gang, verbrauchte stinkende Luft. Sehr freundliche und herzliche Begrüßung. Ich lege ab, also ziehe meine Jacke aus und hänge diese an die Garderobe. Das war ein Fehler, aber es gibt kein zurück. Meine Gastgeber tragen dicke Pullover und  dicke Strickjacke. Eine echte Überraschung . Aus meiner Sicht ist die Wohnung eiskalt. Ich gehe davon aus das sich das nicht gegen mich richtet sondern das das hier so üblich ist. Wir reden über die DDR und wie es weiter gehen soll. Mir wird erklärt das es doch gut so war wie es eben war und die DDR doch irgendwie weiter bestehen sollte. Mir ist das Gequatsche egal. Wieviel Schnitten isst du ? Trink s du mehr als ein Bier ? Jetzt trifft mich doch fast der Schlag, noch nie in meinem Leben bin ich so etwas gefragt worden  Gehst du immer so oft auf Toilette ? Bla Bla Bla. Ich bin neugierig und interessiere mich für alles. Die Gastgeberin erzählt das dort wo sie arbeitet eine Kollegin schwanger geworden ist und sie das dem Chef gesagt hat. Der muss die entlassen, wenn er das nicht weis muss er die Kollegin noch ein Jahr bezahlen. Warum erzählt sie so etwas. Mir werden unzählige Stellenanzeigen vorgelegt. Es ist tatsächlich etwas vernünftiges dabei. Kehrmaschine kommt gerade.  Wir fahren zum Arbeitsamt. Das Arbeitsamt hat geschlossen, offensichtlich schon seit 100 Jahren. Zum Glück erhalten wir Auskunft wo es jetzt ist. Das neue Arbeitsamt ist modern, es geht ruhig zu. PC Plätze und Stellenanzeigen. Eigentlich will ich ja Heidelberg favorisieren weil dort Betriebe sind für die ich mich interessiere.  Ich habe Glück, ein befreundetes Lehrerehepaar will nach Heidelberg und nimmt mich gern mit. In Heidelberg ist das Stammhaus von IKEA und sie kaufen prinzipiell nur dort ein. Auf der Autobahn ist Stau Wie sich herausstellt ohne besonderen Grund. Stau wegen hohem Verkehrsaufkommen. Das 8. Weltwunder, bla bla,,,,,,,,,Wir fahren die gewünschten Betriebe an und ich hole Informationen ein. Ich warte in der Innenstadt? an der alten Burg. Ein alter Mann bettelt mich unentschlossen an. Ein Roma vermute ich. Das ist neu, eigentlich macht das immer eine junge Frau mit Baby so wie ich das aus Bulgarien kenne. Wir treffen uns wieder. Rein äußerlich würden die Lehrer in der DDR in keine Schule reingelassen. Der Sohn ist in Berlin und dort in der Hausbesetzerszene tätig. An einer Ampelkreuzung warten wir auf Grün. Ich trete einen Schritt zurück, natürlich ohne mich vorher umzusehen. Großes Geschrei, ein männlicher Radfahrer kam an gerast wie ein Irrer und es kommt um Haaresbreite zu einem Unfall. „Radfahren boomt gerade in der BRD und es gibt richtige Hightech Räder, Super Zubehör, Markenartikel ,teilweise extrem teuer“. Also ich bin schuld und habe das 9. Weltwunder missverstanden. Egal, ich bin dankbar das mir solche Hilfe zu Teil wird. Einen Second-Hand – Laden und das Stadtzentrum von Sindelfingen möchte ich noch gern sehen. Kehrmaschine vorbeilassen.  Wir stehen im Zentrum, der neue Markt ist gerade fertig und macht aus meiner Sicht nach oben eine Beule. Darunter soll sich neuerdings eine riesige Tiefgarage befinden. Es sind eine Hand voll Leute unterwegs. Breuninger sollte ich noch gesehen haben, wir lassen die Kehrmaschine vorbei und fahren durch Betonkanäle irgendwo lang und tauchen auf einer riesigen Betonfläche wieder auf. Links Parkplatz, rechts Kaufhaus. Breuninger steht irgendwo allein mitten in der Pampa. Ich soll jetzt vor Staunen weinen wie es sich für einen Ossi gehört. Ich mieme den Tiefbeeindruckten. Alles was hier angeboten wird brauche ich nicht, Ein paar leckere Snacks vielleicht, aber der Preis missfällt mir sehr. Ein Baumarkt mit einem riesigen Angebot von Schrauben und Nägeln hätte mich vielleicht beeindruckt. Angehörige haben sich eine Eigentumswohnung für 440000 DM gekauft ,irgendwo sehr weit draußen, die soll ich mir unbedingt ansehen. Wirklich beeindruckend. Vor dem Haus wird eine Bushaltestelle eingerichtet und die Anlieger sollen sich an den Kosten beteiligen. Eine Katastrophe, das gegenwärtig dominierende Thema der Neuzeit. Wir haben uns bewusst gegen Kinder entschieden muss ich mir anhören. Meine Gastgeber ermahnen mich jetzt nicht neidisch zu sein. Neidisch ?? Mitleid wäre besser. Am Bodensee gibt es noch einen günstigen Stellplatz für das Wohnmobil. Betonung auf günstig. Böblingen wird noch besucht und wirkt auf mich wie ein Schluck Wasser. In Sindelfingen, Böblingen und Heidelberg gibt es keine Ausländer.Ich bin froh das ich das alles sehen durfte aber ich will nach Hause. Mir ist kalt, ich habe Hunger und bin maximal fremd und allein.

FAZIT – der Wessi sitzt gern in einer kalten Wohnung

Reise 3 – Fellbach

Einladung bei den GRÜNEN, Anreise über Waiblingen. Ich fahre von der Hauptstraße ab um mich zu orientieren. Suche nach Parkraum. Vor einem Wohnhaus ist etwas Platz und wie von Geisterhand gesteuert sind wir genau am Ziel. Meine Freunde habe ich auf warme Sachen eingestimmt. Ein wenig bedaure ich das. Herzlicher Empfang und vernünftige Gespräche. Der Niedergang der DDR und die Art und Weise des Umgangs miteinander werden erörtert. Es geht vordergründig um Kennenlernen und Information. Ob ich Wünsche hätte ? Ja, einen Second-Hand Laden würde ich gern besuchen und in der Metro spezielle Arbeitsunterlagen kaufen. Was ich mit der Decke unterm Arm wollte ? Meine grüne Freundin verrät mich, ich hätte gesagt der Wessi sitzt gern im Kalten und wir sollen uns warm anziehen. Das war gemein. Klar ist die Bude eiskalt. Unser Gastgeber springt auf und stellt die Heizung höher. Ich beschwichtige, das ist doch gut für die Umwelt und außerdem ist das eure Sache, wir sind zufrieden. Peinlich. Sorglos fragt meine grüne Freundin „wieso habt ihr keine Kinder?“ Betretene Reaktion, wir haben uns bewusst gegen Kinder entschieden ! Ich sehe schon was hier los ist und will das das Thema nicht wieder angesprochen wird. Wir vereinbaren ein Treffen auf einem alternativen Spielplatz. Eigentlich müsste ich das finden aber in den Betonkanälen weis man ja gar nicht wo man ist. Ich fahre einige male raus aus dem Schacht und frage Fußgänger. Aussichtslos, kein Mensch spricht hier deutsch, niemand versteht uns. Man müsste ein Auto stoppen um einen Deutschen zu treffen. Doch noch gefunden. Ein sehr schönes interessantes Projekt betreut von einem Sozialarbeiter. Besuch im Jugendhaus. Das gefällt mir wirklich sehr gut, da könnte sich unsere Heimatstadt ein Beispiel nehmen. So etwas bräuchten wir auch. Wir besuchen das neue Rathaus. Ein Betonblock mitten in der Altstadt, anscheinend umstritten. Am Abend ist eine Veranstaltung angesetzt. Aus einem Kleinbus steigen Musiker aus. Oh Gott. Von Contergan-Kindern hatte ich schon gehört, aber Jetzt-Erwachsene sehe ich zum ersten mal. Bei Kindern mit Hasenscharte habe ich schon ein Problem aber das hier !! Die Erde möge sich auftun und mich schützend aufnehmen. Die Erde tut sich natürlich nicht auf. Die Contergan-Erwachsenen können alle selbst laufen, sind durchweg sehr intelligent und plaudern. Ich weigere mich zu denken was wäre wenn ?? Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen Contergan und…….abgehackt..Schluss. Im Geschäft heizt ein Grüner seinen Kamin mit Holzbrikett. Die Lebensgemeinschaft hat offensichtlich eine kleine Tochter.  Was machst du mit der Kassenrolle? Die muss ich beim Finanzamt abgeben. Sehen die sich das an ? Ihr Ossis zahlt doch alle keine Steuern ! Aha. Die METRO hatte ich noch im Plan und Dank Vollmacht können wir rein. Die speziellen Arbeitsunterlagen die ich bei meinen westdeutschen Kollegen gesehen habe finde ich tatsächlich. Aber die Preise…..und dann auch noch Netto……plus 14%……Mein Stolz sagt ja aber mein Geiz sagt nein. Mein Freund hat eingekauft wie kurz vor einer Hungersnot. Insgesamt sind wir sehr zufrieden, das war eine Begegnung auf Augenhöhe und mit gegenseitiger gesunder Neugier. Zu Hause wurde ich noch gebeten aus Ludwigsburg ein Paket mitzubringen. Im Westen wäre das Porto so teuer. Zu teuer ? Das tut mir aber leid für unsere Brüder. Ich sage ja und denke nein. In Ludwigsburg haben gerade Jugendliche eine Tankstelle blockiert und halten Spruchbänder hoch. Das Paket besteht aus Papierkram, ist groß und super schwer. Unverschämt.  Der Dissident ist ein Verwandter der seine Ausreise erzwungen hat und freigekauft wurde. In der Wohnung gegenüber würden jetzt Ossis wohnen und doppelt soviel Miete zahlen wie er. Auch diesmal zieht es mich nur noch nach Hause.

FAZIT – der Wessi hat ein Problem mit Kindern

Reise 4 – Augsburg

Einfahrt. Es reiht sich Tankstelle an Tankstelle. Unsere Gastgeber haben eine beeindruckend schöne Wohnung. Geräumig, da können locker noch vier Kinder auf die Welt kommen. Wir loben die Wohnung. Ja, die Wohnung haben wir nur bekommen weil wir keine Kinder haben. Es hätte sich noch eine Familie mit 2 Kindern beworben aber der Vermieter hätte sich für sie entschieden. Beide sind hochqualifiziert, verdienen überdurchschnittlich und sind kerngesund. Wir haben uns bewusst gegen Kinder entschieden. S. war mal zur Abtreibung in Holland aber jetzt hätten sie Nägel mit Köpfen gemacht und sich gleich sterilisieren lassen. Und außerdem können wir ja später ein ausländisches Kind adoptieren. Am liebsten würde ich gleich wieder zusammenpacken und nach Hause fahren. Die Stadt Augsburg hätte gerade einen größeren maroden Zulieferbetrieb übernommen, wegen der Arbeitsplätze. Ich dachte hier herrscht freie Marktwirtschft. Aber anscheinend doch nicht. Wäre die Firma einige Monate später kaputtgegangen hätte sie sich noch an einem Ostbetrieb gesundstossen können. Wir besuchen ein Neubaugebiet, das Fliegerviertel, beeindruckend hat aber irgendwie Festungscharakter. Irgendwo in der Nähe mündet eine Autobahn mitten im Wald. Hier kann Fuchs und Hase Inliner fahren. In der Nähe ist ALDI. Unser Gastgeber schwärmt. Wenn der Goldene Westen im Osten solche Pissbuden aufbaut wird der Ossi wohl enttäuscht sein. Wir lernen Augsburg noch näher kennen, Fuggerei und weitere Sehenswürdigkeiten. Wildwasserkanal, Erholungsgebiet am Lech und einen sehr schönen Familienpark. Mein Doktorand schwafelt noch das die DDR fortbestehen müsste, als Billiglohnland in Europa. Ein China in Europa, das wäre doch genial. Wir fahren durch die Leutasch. Das erste mal in Österreich. Ich bestehe an der Grenze auf einen Stempel in meinen DDR Pass. Oberammergau hat uns sehr beeindruckt. Betrüger hätten im Ausland gefälschte Karten für die Passionsfestspiele verkauft. Engländer wären besonders davon betroffen gewesen und es hat richtigen Ärger gegeben. Stopp an einer paradiesischen Gaststätte. Das empfinden auch sehr viele andere so und wir müssen warten bis ein Tisch frei wird. Postkartenpanorama. Es gibt nur 2 Kellner. Mein Doktorand schätzt ein das die Kellner systematischer vorgehen müssten. Das Tablett wäre gar nicht richtig voll und es wäre zu viel Leerlauf. Ich schätze ein, das können die zu zweit nie schaffen und wir müssen einfach nur geduldig sein. Augsburg ist wirklich eine sehr schöne lebenswerte Stadt. Ausländer gibt es hier offensichtlich nicht. Gegenbesuch. In der Gaststätte hätten wir das Essen gleichzeitiger bekommen müssen und was die hier für einen alten Wasserkocher hätten. Der hält aber schon 100 Jahre und würde nochmal 100 Jahre halten wenn da nicht der Goldene Westen mit seinen verlockenden Angeboten wäre. Warum wir die Schuleinführung wie eine Hochzeit feiern und ob wir im Lotto gewonnen hätten. Im Lotto haben wir nicht gewonnen aber Schuleinführung und Jugendweihe wird nun mal hier so gross gefeiert.

Fazit – der Wessi hat ein echtes Problem mit Kindern

Reise 5 – Hamburg

Wir ziehen in eines der Gästezimmer des Gartenhauses ein. Mit unseren Gastgebern besprechen wir ausführlich die Zukunft Deutschlands. Der Fall der Mauer wird als ein unglaublicher Glücksfall angesehen. Die vielen Probleme sind da erst mal zweitrangig. Noch nie haben wir so vernünftig die Situation erörtern können. Es gibt überhaupt keinen Grund zu jammern. Für uns wurde extra ein Reiseleiter eingeflogen der ganz gut deutsch spricht. Die Kinder versteht er natürlich nicht. Die sagen immer nu. Genau Nu heißt ja und Nunu heißt du kannst uns….In Hamburg ist gerade Wahl und die CDU wird abgewählt. Der Kommentar, die Leute haben Angst. Alle Sehenswürdigkeiten im Umkreis von 50 km werden abgegrast. Im Heidepark Soltau steht ein kleiner Junge an einem Stand und fragt ob es hier auch etwas umsonst gebe. Im Heide Park bei den Heidschnucken haben wir die Alternative zu Fuß oder Kutsche. Autos sind hier verboten.Wir nehmen lieber die Kutsche. In meiner Kutsche sitzen zur Rückfahrt bereit, zwei arrogante versnobte Tussis, kein Guten Tag, kein Danke, keine Frage nach Kostenbeteiligung und kein Auf Wiedersehen. Der Kutscher fühlt sich sichtlich unwohl. Abgehackt. Wir sind in der Innenstadt und sollen unbedingt ins Kino gehen. „Mein linker Fuß“ wäre ein super Film den wir unbedingt sehen müssen. Guter Film ? Mord und Totschlag ? Beat Street, Flammendes Inferno und Jenseits von Afrika liefen in der DDR und waren auch ganz gut. Also gehen wir. Er möchte sich um die Kinder kümmern. Der Film war wirklich gut. Unser Reiseleiter zeigt erste Verschleißspuren. Bevor der uns zusammenbricht rufen wir ein Taxi. “ Wenn ich gewusst hätte das hier Kinder mitfahren wollen hätte ich nicht angehalten. Der Rücksitz wäre schon mal von Kindern beschädigt worden“ Die Kinder sitzen schon drin und unseren Reiseleiter interessiert das überhaupt nicht. Ich rege mich einige Sekunden lang auf. Bei mir entsteht langsam das Fazit“ Ihr könnt ja nichts dafür“ Zum Abschied ruft unserer kleines Kind das unsere Gastgeberin alle Micky-Maus- Hefte schicken soll die sie kriegen kann.

FAZIT – der Wessi ist gastfreundlich und hat Visionen

Reise 6 – Wuppertal

Stau Stau Stau…wir sind Stunden zu spät. Wuppertal scheint weder einen Anfang noch ein Ende und auch keine Mitte zu haben. Die erste normale entspannte Familie.  Auch die Themen Mauerfall, DDR, deutsche Einheit werden vernünftig und rational erörtert. In der Kellerbar eines Freundes wird festgestellt das die Gebrauchtwagenpreise stark angezogen haben und die Wuppertaler Autobahn bald dreispurig ausgebaut wird. Ich möchte selbst einkaufen gehen und biete mich zum Brötchen holen an. Falscher Laden. Du hast viel zu teuer gekauft. Nunu. Ein Schwebebahnwagen soll mal in die Wupper gefallen sein. Auf dem Markt ist gerade Rummel. Ein riesiges Schaukelschiff ist aufgebaut. Wie gebannt bleibe ich stehen und starre auf ein halb ausgebranntes Gebäude. Mitten in der Stadt. Was ist denn hier passiert ? Stand das nicht bei euch in der Zeitung ?  Hier haben Ausländer gewohnt, es hat Tote und Verletzte gegeben.  Nein, wenn im Westen so etwas passiert steht bei uns nichts in der Zeitung, schließlich ist ja der Ossi immer Böse. Auch von dem Mönchengladbacher  der in Brandenburg kleine Mädchen ermordet stand bei uns nichts in der Zeitung. Das mit der Brandstiftung soll wohl sogar der Hauseigentümer gewesen sein.  Mitten in Stadt eine große Industriebrache. Die Stadt würde das gern kaufen aber der Eigentümer pokert schon jahrelang. Insgesamt eine ruhige angenehme Zeit in Wuppertal.

FAZIT – Wessi oder Ossi, alles Quatsch

Reise 7 – Gudow

und in den Norden. Raststätte Gudow, die erste Gelegenheit zum Ausruhen und Tanken nach der Grenze. Es ist nach 1 Uhr in der Nacht. Höchste Zeit für einen Zwischenstopp, ich bin erschöpft und meine Familie auch.  Es sind keine Autos weiter zu sehen. Gerade will ich an die Tanksäule fahren da kommt uns eine Gruppe Männer entgegen. Wir werden umringt. Die Raststätte ist voll mit Menschen (Verbrecher?). Wo kommen die nur her und was wollen die hier ? In- und ausländische Männer. In der DDR wurden diese Leute als Assoziale bezeichnet und kamen früher oder später ins Gefängnis. Wir sind in Gefahr. Ich nutze den Augenblick, gebe Vollgas. Schweissgebadet erreichen wir den Rastplatz hinter der Dänischen Grenze. Überall liegen Reisende mit und ohne Schlafsack und schlafen den Schlaf des Gerechten.  War ich der Einzige der das nicht gewusst hat ? Einige Tage später in Hellesy….die ersten Deutschen die wir treffen, Reisegruppe mit eigenem Bus. Sie hätten nicht damit gerechnet hier DDR Leute zu treffen. Es wäre doch alles so teuer. Sie hätten komplett alles mit und würden hier nichts kaufen. Wir haben Essen bestellt, ein kleines Menü wird aufgebaut. Die Wessis langen voll zu und ich rufe nach der Heimleiterin.  Schreiend  vertreibt sie die fauchenden Hyänen. Ich soll den Vorfall niemanden erzählen, Wessis sind nicht so, das war eine Ausnahme. Einige Tage und Kilometer weiter. Zwei Familien aus dem Raum Essen treffen ein. Jahrelang würden sie schon hierher kommen. Völlig nette entspannte lebensfrohe Menschen.  Die freuen sich über uns und den Fall der Mauer. Wir gehen gemeinsam auf Fischzug. Toll. Auf den schneebedeckten Berg möchte ich gern und wir machen uns auf den Weg. Ortsansässige haben uns gesagt das es hier keine Wege gibt aber Naturfreunde hätten einen „Weg“ mit Punkten markiert. Ein riesiger struppiger Kater begleitet uns ziemlich weit. Ich bin fast oben und sehe bei meiner Familie 2 junge Männer auftauchen, wie aus dem nichts.Wer war das ? Wo kamen die her ? Das waren Israelis, die sind schon 7 Stunden unterwegs und finden den Abstieg nicht. Als ich denen gesagt habe, wir sind aus der DDR, haben die richtig Angst gekriegt.

FAZIT – es ist noch zu früh für ein Fazit

Reise 8 – Hannover

Bei Gelegenheit soll ich unsere Freunde mal besuchen. Die Gelegenheit ist jetzt, ich habe in Hannover zu tun. Das gesparte Geld fürs Hotel würde ich euch gern geben. Nein soll ich nicht. Feierabend. Auf der Suche nach der Wohnung meiner Freunde sehe ich ein gigantisches Verkehrsviadukt  Ein Autobahndreieck einfach so gebaut. Es fehlt die Autobahn. Ich komme jedenfalls nicht hungrig oder durstig. Wir reden über den Mauerfall. Die DDR sollte doch besser so bleiben. Egal. Heute ist Kegelabend und ich soll unbedingt mitkommen. Ihre Freunde würden niemanden aus der DDR kennen und es wäre ganz gut wenn ich dabei wäre. Getränke und Essenbestellung. Es gibt heute Spargel Satt. Die Kegelgruppe steht unter Schock. Meine Gastgeberin ergreift die Initiative und rät mir doch lieber Bratwurst zu essen weil ich das kenne. Ich lächele und bedanke mich für den Hinweis. Also Bratwurst. Es wird eine Gelegenheit geben mich daran zu erinnern. Ich merke schon, der reiche kinderlose Steuerberater möchte mir gern etwas sagen, ich gebe Gelegenheit dazu. Lass es raus! Mit der deutschen Einheit, das wird nie etwas. Der Fall der Mauer wäre der größte Blödsinn und er ist dagegen das auch nur ein Pfennig in den Osten fließt. Eine Frau von der Kegelgruppe nimmt mich beiseite und sagt mir das es ihr peinlich wäre, das mit dem Spargel. Schon gut…Ich habe schon einige Wessis getroffen die mir einfach nur leid tun. Es ist beizeiten Feierabend und ich fahre kreuz und quer durch Hannover. Irgendwo parke ich um auszuruhen. Türken, oder das was ich dafür halte, kommen auf mich zu. Warum bist du hier? Was willst du ? Die Gruppe wird immer größer. Ich soll hier wegfahren. Es will mir nicht in Kopf das so etwas möglich ist, aber ich fahre weg. Auf der Flucht im eigenen Land. Bevor ich abreise will mir der Sohn noch seine neue Wohnung zeigen. Die kleinste Wohnung die ich je gesehen habe. 10..12 qm. Später sehe ich so etwas nochmal in Ulm. Falls du dein Studium beendest, was wirst du dann machen ? Tankwart oder Taxifahrer ! Stadtzentrum, der neue Landtag und eine Einkaufspassage. Weitestgehend wieder leer. Hier hätten sich so die Obdachlosen reingezogen und deshalb hätten die Geschäfte fast alle wieder geschlossen.

FAZIT – der Ossi soll nicht so empfindlich sein

Reise 9 – Frankfurt am Main

Im Römer war ich schon mal bei Nacht, alles sehr lecker. Diesmal für mehrere Tage. Vom Hotel Interkontinental (240 DM pro Nacht) bis zum Main sind es nur wenige Minuten. Am Tag habe ich keine Zeit, also sehe ich Frankfurt nur im Dunkeln. Normalerweise habe ich nirgends Angst aber hier sind Gruppen von Arabern die sehr aggressiv erscheinen, mit ihren Autos wie die Irren herum rasen, grölen und sich extrem großkotzig bewegen. Ich habe das Gefühl, wenn ich auf dem Fußweg nicht ausweiche werde ich erstochen. Es hat definitiv keinen Zweck hier spät Abends oder Nachts spazieren zu gehen. Mit dem Auto auf der Straße empfinde ich die Atmosphäre als extrem angespannt. Die Frankfurter spielen Krieg auf der Straße.

Reise 10 – Friedrichshafen, Isny

Hier sehe ich zwar viele Ausländer, habe aber überall ein gutes Gefühl. Ich muss warten und bemerke das ich mich genau gegenüber von einem Friedhof befinde. Also gehe ich hinein. Als erstes entdecke ich ein Grab mit Stern und Halbmond, aber es bleibt das Einzige. Auf meine Frage wo Türken beerdigt werden weis mein Fast-Professor aus Würzburg keine Antwort. Auch seine Frau hat noch nie ein solches Grab gesehen. Muss man auch nicht wissen. Mich beschäftigt schon lange eine Frage wie der Wessi so die Verhältnisse an der Schule sieht. Ich kenne nur Berichte von Ossis. Also frage ich meinen Freund, du hast doch 2 Kinder die noch in die Schule gehen. Wie ist das so mit den Ausländern in der Schule, spielt das irgendeine Rolle ? Ach die…. Da kommt nichts. Das hätte ich nicht fragen dürfen. Tut mir echt leid. Den Professor frage ich noch, der kennt sich in Ost und West aus. Willst du das an Dresdner Schulen westdeutsche Verhältnisse eingeführt werden ? Ja oder nein ?  Das kann man so nicht fragen, da muss man Verschiedenes beachten und überhaupt und…und…keine Antwort. Ich glaube ich habe soeben 2 Freunde verloren.

Fazit – der Wessi hat Angst

Weitere Reisen: Trier, außer der Kirche völlig verwahrlost…muss man nicht gewesen sein, Dortmund, bebautes Gebiet mit der kleinsten und ältesten Tankstelle Deutschlands, Stuttgart..ein Molloch wo überall die Abrissbirne willkommen wäre,z.B 4 Sterne Hotel (3 Sterne gestohlen) Parkhäuser… Ratingen, Krün, Partenkirchen, Lüneburg und Wangen habe ich angenehm in Erinnerung.  Düsseldorf,, schöne Kneipen, das ALT hat mich nicht beeindruckt. München, angenehm, mit verkorkster Verkehrspolitik. Göttingen, zum Davonlaufen. Alles liegt im Sinne des Betrachters und der Erwartungen oder Vorurteile. Im Goldenen Westen hat gefälligst alles besser zu sein als im Osten. Alles was diese Erwartungen nicht erfüllt ist schlecht. Mein guter Freund war oft in den USA und hatte mich eigentlich gewarnt. Deine Erwartungen sind zu hoch. Er war in New York bei einem Kollegen nach Hause zum Essen eingeladen. Und was gab es ? Salzkartoffeln und Sauerkraut ! Und ? Nichts UND !

Fazit – der Kinderfeindliche Westen verbrennt Jugend.

Was sagte eigentlich der Fuchs in Lessings Fabel als er die Trauben nicht erreichen konnte ?  ….

26 Jahre später

Ich brauche mir gar nicht viel Mühe geben, das Fernsehen hat geliefert. WDR, Hannelore Kraft diskutiert mit Bürgern die Flüchtlingssituation. Ein Ehepaar meldet sich, sie hätten sich mit einer afgahnischen Flüchtlingsfamilie angefreundet die abgeschoben werden soll.“ wer soll denn mal unsere Rente verdienen“ Endlich, ich bin erleichtert. Das sind genau die jungen Leute von 89 die ich Land auf Land ab kennengelernt habe. Wenn es einen Orden gäbe „Typischer Wessi“ würde ich den jetzt verleihen. Aber da waren ja noch die, die ein ausländisches Kind adoptieren wollten. Daraus ist leider nichts geworden. Mein Mitleid ist euch sicher. Keine Zeit, kein Geld und überhaupt. Elke V.K. (auch aus dem Fernsehen) hat mit ihrem Mann die Kurve gekriegt. Adoptieren wird natürlich nichts mehr weil Eltern da sind. Aber so einen alleinreisenden mitgebrachten minderjährigen Flüchtling kann man jetzt aufnehmen. Das hat vor allen auch einen enormen Kosten-Vorteil.

Systembedingt hat Deutschland ein demographisches Problem. Die GRÜNEN können sich feiern. Bei GOOGLE tippe ich ein „mir ist egal wenn die Deutschen aussterben………….

und überhaupt, wer hier geboren wird ist Deutscher, ob er will oder nicht. Das sagte schon Kenneth Meadows. Er hat recht.

Gabi Quiroli